Gesundheitsdatennutzungsgesetz: Was Versicherte jetzt wissen müssen

Stand:
Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen die Abrechnungsdaten ihrer Versicherten auswerten, um mögliche Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen. Die Grundlage dafür wurde mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz geschaffen. Was steckt hinter dieser neuen Regelung und welche Rechte haben Versicherte?
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Krankenkassen erhalten neue Möglichkeiten zur Datenauswertung

Ob Impflücken, unerkannte Pflegebedürftigkeit oder schwerwiegende Arzneimittelwechselwirkungen: Die gesetzlichen Krankenkassen dürfen ihre für die Abrechnung ohnehin vorliegenden Daten gezielt auswerten, um individuelle Gesundheitsrisiken zu erkennen. Ziel ist es, potenzielle Gefährdungen frühzeitig zu identifizieren und Versicherte auf eine mögliche ärztliche Beratung hinzuweisen. Einzelne Krankenkassen haben bereits Datenauswertungen gestartet.

Auf diese Gesundheitsrisiken dürfen die Kassen prüfen

Laut § 25b SGB V des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes darf die Krankenkasse gezielt nach folgenden Risiken in den Abrechnungsdaten suchen:

  • Seltene Erkrankungen, Krebserkrankungen oder andere schwerwiegende Gesundheitsgefährdungen
  • Schwerwiegende Wechselwirkungen zwischen verordneten Arzneimitteln
  • Impflücken bei Schutzimpfungen, die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen werden
  • Noch nicht festgestellte Pflegebedürftigkeit

Wie läuft die Datenauswertung ab?

Die Analyse basiert auf Abrechnungsdaten, die entstehen, wenn Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäuser oder andere Leistungserbringer eine Leistung mit der Krankenkasse abrechnen. Diese Daten enthalten beispielsweise Diagnosen, verordnete Medikamente und durchgeführte Behandlungen.

Für die Auswertung bauen die Krankenkassen eigene Algorithmen. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist möglich. Die Krankenkassen müssen nicht nach Risiken suchen, sie dürfen. Entscheiden sie sich dafür und erkennen sie bei einem /einer Versicherten ein mögliches Risiko, dann müssen sie die versicherte Person schriftlich informieren – ergänzt durch eine Empfehlung, sich ärztlich oder pflegerisch beraten zu lassen. Möglich ist auch eine zusätzliche Kontaktaufnahme auf einem anderen Kanal, zum Beispiel telefonisch.

Pflicht zur Information und Recht auf Widerspruch

Bevor eine Krankenkasse mit der Datenauswertung beginnt, muss sie ihre Versicherten darüber informieren. Dies muss nicht zwingend individuell passieren, jedoch in einer Form, die es allen „wirklichkeitsnah“ ermöglicht, diese Information zu erhalten. Die Krankenkasse muss die Datenauswertung entsprechend über hinreichend viele Kanäle transparent und dauerhaft zugänglich kommunizieren. Eine alleinige Information über die Webseite oder Mitgliederzeitschrift ist nicht ausreichend. Zudem muss das Widerspruchsrecht in der Information prominent platziert sein.

Die Teilnahme an der Auswertung ist für die Versicherten freiwillig. Die Krankenkasse darf Versicherte nicht auf Basis ihrer Entscheidung bevorzugen oder benachteiligen. Versicherte können der Datennutzung für die im Gesetz genannten Zwecke ganz oder teilweise widersprechen. Das geht zum Beispiel online oder formlos per Brief an die Krankenkasse. Ein Widerspruch gilt allerdings nur bei der aktuellen Krankenkasse – bei einem Wechsel muss dieser erneut eingereicht werden.

Chancen und Risiken der Datenanalyse

Die Möglichkeit zur Datenauswertung kann durchaus Vorteile haben: Krankheiten oder gesundheitliche Risiken können entdeckt werden, die sonst möglicherweise länger unerkannt geblieben wären. Beispielsweise werden Versicherte an Impfungen erinnert. Außerdem können die Krankenkassen auf möglicherweise gefährliche Wechselwirkungen von Medikamenten hinweisen.

Allerdings gibt es auch kritische Punkte:

  • Abrechnungsdaten sind nicht fehlerfrei – Diagnosen können veraltet, ungenau oder falsch sein.
  • Es besteht ein zeitlicher Verzug zwischen Behandlung und Datenauswertung.
  • Abrechnungsdaten bilden maximal nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesundheitszustand und aus dem Leben eines Menschen ab. Die den Krankenkassen vorliegenden Daten können die Wirklichkeit daher stark verzerren und zu Fehlannahmen führen.
  • Statistisch berechnete Risiken führen im Einzelfall nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung. So kann bei Versicherten unnötig Angst erzeugt werden, besonders wenn die Datenbasis unsicher ist. Das wiederum könnte unnötige Arztbesuche und unnötige Behandlungen nach sich ziehen.
  • Krankenkassen haben Interessenkonflikte, sie stehen im Wettbewerb und könnten mit den Auswertungen eigene, wirtschaftliche Interessen verfolgen.

Was Versicherte jetzt tun können

  1. Informieren Sie sich bei Ihrer Krankenkasse, ob diese Auswertungen nach § 25b SGB V durchführt.
  2. Verlangen Sie Einsicht in die konkrete Datengrundlage, wenn Sie einen Risikohinweis erhalten. Gemeinsam mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt können Sie dann prüfen, wie ernst der Hinweis zu nehmen ist.
  3. Nutzen Sie Ihr Widerspruchsrecht, wenn Sie keine Analyse Ihrer Gesundheitsdaten wünschen –  Sie können ganz oder bezogen auf einzelne der oben genannten Themen widersprechen.
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