Energieanbieter fordert höhere Abschläge: Das ist zu tun

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Einige Strom- und Gasanbieter wollen die monatlichen Abschlagszahlungen zum Teil drastisch erhöhen, schicken danach eine Preiserhöhung und deuten Nachfragen als Sonderkündigung. Was Sie in solchen Fällen beachten sollten, erfahren Sie hier.
Nahaufnahme eines Stromzählers.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ihre Abschlagszahlungen und Vorauszahlungen richten sich nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums.
  • Wenn Ihr Anbieter eine so genannte eingeschränkte Preisgarantie gegeben hat, ist eine Preiserhöhung wegen gestiegener Beschaffungskosten regelmäßig unwirksam.
  • Haben Sie angekündigten Änderungen widersprochen oder Fragen dazu gestellt, darf der Anbieter das nicht automatisch als Kündigung werten.
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Einige Anbieter von Strom und Gas kündigen derzeit ihrer Kundschaft an, die "monatlichen Zahlbeträge" kurzfristig zu erhöhen. Bei uns gehen aktuell zahlreiche Beschwerden und Anfragen dazu ein. Haben "monatliche Zahlbeträge" etwas mit Abschlags- und Vorauszahlungen zu tun? Darf der Anbieter die einfach erhöhen? Warum bekomme ich eine Kündigungsbestätigung, obwohl ich der Erhöhung widersprochen habe? Und was ist mit "Reduktionsrabatt" gemeint? Hier sind unsere Antworten.

Was sind Abschlagszahlungen und Vorauszahlungen?

Abschläge und Vorauszahlungen sind vorläufige Entgelte für Energielieferungen, mit denen der Anbieter bis zur nächsten Abrechnung in Vorleistung geht. Dabei zahlen Sie entweder Abschläge für den Verbrauch eines zurückliegenden Monats oder leisten Vorauszahlungen für den kommenden Monat. Beide Beträge müssen bei Strom- und Gasverträgen so berechnet sein, dass sie zu Ihrem tatsächlichen Verbrauch eines gesamten Abrechnungszeitraums passen. Der Abrechnungszeitraum könnte vereinfacht auch als die Zeit zwischen zwei Rechnungen bezeichnet werden und beträgt regelmäßig ein Jahr. Der tatsächliche Verbrauch wird in erster Linie durch das Ablesen der Zählerstände erfasst und muss in der Abrechnung, vorwiegend sind dies Jahresrechnungen, aufgeführt werden.

Bei Neukund:innen dürfen Anbieter die Abschlags- und Vorauszahlungen nach dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kund:innen bestimmen, da noch keine vorhergehende Abrechnung vorliegt. Machen Verbraucher:innen glaubhaft, dass ihr Verbrauch erheblich geringer ist, muss der Anbieter dies bei der Höhe der monatlichen Zahlungen angemessen berücksichtigen.

In der Jahresrechnung zeigt der tatsächliche Verbrauch, ob die Höhe der Abschläge oder Vorauszahlungen passt oder verändert werden muss. Das ist einerseits gesetzliche Pflicht des Anbieters und andererseits sinnvoll, da es sich um eine Prognose auf Basis zurückliegender Verbrauchswerte handelt. Eine Jahresrechnung ohne Guthaben und ohne Nachzahlungsforderung deutet darauf hin, dass Ihre Abschläge oder Vorauszahlungen richtig eingeschätzt wurden.

Wie Sie Abschlags- oder Vorauszahlungen richtig berechnen finden Sie in diesem Text unter "Sind die Abschläge realistisch?".

Darf mein Anbieter Abschlags- oder Vorauszahlungen einfach erhöhen?

Eine einseitige Erhöhung der Abschlags- oder Vorauszahlungen durch Anbieter ist nach unserer Ansicht innerhalb eines Abrechnungszeitraums ohne weiteres nicht zulässig. Ausnahmen können aber folgende Beispiele sein:

  • Der Anbieter erhöht seine Preise während des Abrechnungszeitraums und teilt dies wirksam mit. Darüber muss er zum Beispiel in Sonderverträgen mindestens vier Wochen vorher informieren und Sie im Regelfall über ein Sonderkündigungsrecht aufklären.
  • Ihr Anbieter bittet Sie, monatlich mehr zu zahlen und Sie willigen ein. Das wäre eine einvernehmliche Vereinbarung und wäre auch ohne Preiserhöhung wirksam.

Eine einseitige Entscheidung einer Vertragspartei, ohne dass sich Preise verändert haben, verstößt hingegen gegen das Energiewirtschaftsgesetz, gegen die Strom- und Gasgrundversorgungsverordnung und oftmals auch gegen die eigenen AGB der Anbieter, in denen regelmäßig auch die zuvor dargestellte Berechnungsrundlage der Abschlags- und Vorauszahlungen zu finden ist.

Mein Anbieter will die "monatlichen Zahlbeträge" erhöhen. Was heißt das?

Wenn Anbieter in Schreiben mitteilen, dass sie die "monatlichen Zahlbeträge" erhöhen werden, dann können nach unserer Ansicht damit nur die Erhöhung der Abschlags- oder Vorauszahlungen gemeint sein. Einige Anbieter benutzen auf ihren Internetseiten "monatliche Zahlbeträge" als Synonym für Abschlags- und Vorauszahlungen, andere in ihren AGB. Wenn die Erhöhung von "monatlichen Zahlbeträgen" mit Steigerungen bei den Beschaffungskosten begründet wird, dann ist dies weder zulässig, geeignet noch nachvollziehbar. Kostensteigerungen sind nicht durch steigende Abschlags- oder Vorauszahlungen aufzufangen.

Etwaige Kostensteigerungen bei der Beschaffung von Energie kann der Anbieter gegebenenfalls durch eine Preiserhöhung weitergeben. Dazu müssen in Sonderverträgen eine wirksame Preisanpassungsklausel vertraglich vereinbart und eine Preiserhöhung wirksam erteilt worden sein.

Erst Erhöhung der "monatlichen Zahlbeträge", jetzt Preiserhöhungsmitteilung. Ist das in Ordnung?

Wenn der Anbieter erst nach einer Mitteilung über eine Erhöhung der Abschlags- oder Vorauszahlungen eine Preiserhöhung mitteilt, ist die Reihenfolge schon sehr fragwürdig. Unserer Ansicht nach kann die Erhöhung der Abschlags- und Vorauszahlungen nicht durch eine nachträgliche Preiserhöhung geheilt werden. Es bleibt aber die Frage, ob die Preiserhöhung wirksam ist.

Eine Preiserhöhung, die mit gesteigerten Beschaffungskosten begründet wird, kann bereits dann nicht wirksam erklärt werden, wenn die Weitergabe genau dieser Kostensteigerungen durch eine eingeschränkte Preisgarantie vertraglich ausgeschlossen ist. Denn die schließt regelmäßig die Weitergabe von gestiegenen Beschaffungskosten zumindest zeitweilig aus. Falls Sie eine Preisgarantie vereinbart haben sollten, finden Sie die Bedingungen zu dieser Vereinbarung in Ihren Vertragsunterlagen und in den AGB.

Eine wirksame Preiserhöhungsmitteilung würde ohne Preisgarantie selbst dann nicht zu einer Erhöhung der Abschlags- oder Vorauszahlungen führen, wenn Sie das regelmäßig bei einer Preiserhöhung vorhandene Sonderkündigungsrecht nutzen. Denn die Erhöhung der Abschlags- und Vorauszahlungen ist erst nach der Preiserhöhung möglich.

Erst Erhöhung der "monatlichen Zahlbeträge", jetzt Sonderkündigung bestätigt. Was mache ich nun?

Einigen Verbraucher:innen, die einer Erhöhung der Abschlags- oder Vorauszahlungen widersprochen oder weitere Erläuterungen zu dem Vorgang eingefordert haben, wurde daraufhin eine "Sonderkündigung" bestätigt. Zusätzlich mit der Bestätigung wurde auch eine kurzfristige Belieferungseinstellung angekündigt. Eine Kündigungserklärung muss nicht zwingend den Begriff "Kündigung" enthalten. Allerdings müssen Erklärungen, die als Kündigung gewertet werden, eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass sich die Erklärenden einseitig von dem Vertragsverhältnis lösen wollen.

Widersprüche gegen die Erhöhung "monatlicher Zahlbeträge" und Rückfragen zu Abschlags- und Vorauszahlungen sind keine Kündigungserklärungen. Auch dürfte aus einer Erhöhung der Abschlags- oder Vorauszahlungen, egal ob berechtigt oder nicht, kein Sonderkündigungsrecht entstehen.

Sollten Sie gar keine Kündigung erklärt haben und ein (Sonder-) Kündigungsrecht lag auch nicht vor, dann dürfte eine kurzfristige Belieferungseinstellung eine Vertragspflichtverletzung des Anbieters darstellen. Die Vertragspflichtverletzung würde darin bestehen, dass der Anbieter seiner vertraglichen Leistungspflicht nicht nachkommt. Dies kann zu Schadensersatzansprüchen führen. Die genaueren Umstände von Belieferungseinstellungen und Schadensersatzansprüchen erläutern wir in diesem Text.

Nach Widerspruch gegen Abschlagserhöhung nun ein "Reduktionsrabatt". Soll ich den annehmen?

Nachdem sie einer Erhöhung der "monatlichen Zahlbeträge" widersprochen hatten, wurde einigen Verbraucher:innen ein "Reduktionsrabatt von 30 Prozent" angeboten. Das Angebot sei begrenzt, nur 72 Stunden gültig und die Annahme diees Angebots solle per E-Mail bestätigt werden, schreibt der Anbieter. Worauf sich der "Reduktionsrabatt" bezieht, ist nicht zweifelsfrei erkennbar. Der Anbieter zielt aber wohl darauf ab, die Zustimmung der Verbraucher:innen über die Erhöhung der "monatlichen Zahlbeträge" zu erlangen. Die vom Anbieter zuvor angekündigte und, nach unserer Ansicht unzulässige Erhöhung soll nun wohl laut Angebot um 30 Prozent reduziert werden, wenn Verbraucher:innen zustimmen. Durch eine Vereinbarung soll die nach unserer Ansicht unzulässige Erhöhung, nun um 30 Prozent reduziert, legitimiert werden. Denn eine Vereinbarung über eine Erhöhung, der beide Seiten zugestimmt haben, ist zulässig.

Ob diese Zusagen eingehalten werden, ist aber völlig unklar.

Ausgleich von "finanziellen Mehrbelastungen" nach Belieferungseinstellung. Was heißt das?

Wenn der Versorger seine Lieferung mit Strom und Gas kurzfristig einstellt, werden Betroffene automatisch vom Grundversorger mit Energie beliefert. Eine Versorgungslücke kann nicht entstehen. Nach einer Ankündigung über das Ende der Belieferung haben einige Verbraucher:innen von ihren Versorgern eine Mitteilung erhalten, in der die Anbieter erklären, dass sie die "finanziellen Mehrbelastungen durch eine kurzzeitige Belieferung in der Grundversorgung" ausgleichen würden. Weiterhin wird mitgeteilt, dass ein vereinbarter Neukundenbonus anteilig ausgezahlt werde.

Wenn durch eine Belieferungseinstellung eine vertragliche Pflicht durch Anbieter verletzt wird und Verbraucher:innen ein Schaden entsteht, dann besteht ein Anspruch auf Ausgleich des Schadens. Ein Schaden könnte dadurch entstehen, dass die Belieferung durch den Grundversorger oder auch durch einen anderen Anbieter nur zu einem höheren Preis als im ursprünglich vereinbarten Tarif möglich ist. Der Schaden ist dann die Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten (niedrigeren) Preis und dem neuen (höheren) Preis der Belieferung. Die Differenz zwischen den Preisen erhöht solange den Schaden, bis der Anbieter nach den Vertragsbedingungen die nächste ordentliche Kündigungsmöglichkeit hätte.

Auch ein vereinbarter Bonus, der eine bestimmte Belieferungszeit voraussetzt, die aufgrund einer Belieferungseinstellung nicht erreicht wird und aufgrund dessen nicht ausgezahlt wird, stellt einen Schaden dar. Wir sind der Ansicht, dass der Bonus vollständig und nicht nur anteilig zu ersetzen ist.

Auch hierbei ist völlig unklar, ob der Anbieter die Zusagen einhalten wird.

Reagieren Sie mit unseren Mustertexten!

  • Unserer Ansicht nach sollten Sie der Abschlagserhöhung widersprechen und dies dem Anbieter mitteilen. Dazu können Sie per E-Mail oder Brief (als Einwurfeinschreiben) folgende Formulierung schicken:
    Ich widerspreche der Abschlagserhöhung. Da mir keine wirksame Preiserhöhung zugegangen ist, ist eine einseitige unterjährige Erhöhung der Abschlagszahlungen nicht zulässig.
  • Sollte Ihnen nach einem Widerspruch gegen die Abschlagserhöhung eine Sonderkündigung bestätigt und eine Belieferungseinstellung angekündigt worden sein, dann sollten Sie Ihren Anbieter zur Weiterbelieferung auffordern. Schicken Sie ihm dazu folgenden Text per E-Mail oder Brief (als Einwurfeinschreiben):
    Ich fordere Sie auf, dass Sie mich zu den vertraglich vereinbarten Konditionen mit Energie weiter beliefern. Mein Widerspruch gegen die nicht zulässige einseitige Abschlagserhöhung kann nicht als Kündigungserklärung gewertet werden. Ich habe nicht ausdrücklich eine Kündigung des Vertragsverhältnisses erklärt und ich habe auch nicht eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ich mich einseitig von dem Vertragsverhältnis lösen möchte. Die Belieferungseinstellung würde die Verletzung Ihrer Vertragspflichten darstellen und könnte Schadensersatzansprüche auslösen, die ich mir Ihnen gegenüber ausdrücklich vorbehalte.
  • Falls Ihnen nach der Mitteilung einer Abschlagserhöhung trotz Preisgarantie eine Preiserhöhungsmitteilung zugegangen sein sollte, überprüfen Sie zunächst die Bedingungen der Preisgarantie und teilen danach gegebenenfalls Ihrem Anbieter mit, dass eine Abschlags- und Preiserhöhung nicht zulässig ist. Dazu können Sie ihm folgenden Text per E-Mail oder Brief (als Einwurfeinschreiben) senden:
    Ich widerspreche der Abschlagserhöhung, die unterjährig einseitig nur zulässig ist, wenn sich wirksam mein Preis erhöht hätte. Eine wirksame Preiserhöhung ist aber gegenwärtig nicht möglich, da wir vertraglich eine Preisgarantie vereinbart haben und diese eine Weitergabe der erhöhten Beschaffungskosten ausschließt.

 

Preisschock am Energiemarkt: vzbv fordert die Bundesregierung auf, zu handeln

Die Energiepreise steigen, und mit ihnen auch die Anzahl an Beschwerden zu Energieversorgern, die beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eingehen. Verbraucher:innen berichten vermehrt von

  • der Einstellung der Belieferung,
  • beendeten Verträgen,
  • Preiserhöhungen und gestiegenen Abschlägen.

Gerade während der Corona-Pandemie steigt aber teils der Energiebedarf in den Haushalten. Damit die steigenden Preise nicht zu Energieschulden führen, fordert der vzbv die Bundesregierung auf, zu handeln.

Stift und Münzen liegen auf einer Stromrechnung.

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